50 Jahre Berufsförderungswerk Schömberg

| Friedrich Eschwey

Seit 50 Jahren werden beim Berufsförderungswerk Schömberg (BFW) Menschen mit Behinderung umgeschult und qualifiziert, um wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu haben. Dabei musste die Einrichtung gewaltige Herausforderungen meistern, die der gesellschaftliche und technische Wandel mit sich brachten.

Als Spezialeinrichtung für an Tuberkulose erkranke Menschen mit 120 Ausbildungsplätzen nahm 1964 das BFW „Auf dem Bühl“ seine Arbeit auf. Schon wenige Jahre später war die Tuberkulose durch die Entwicklung wirksamer Antibiotika kein Thema mehr. Die Verantwortlichen standen vor der ersten großen Herausforderung. Man entschied statt der Schließung der Einrichtung sich für andere Behinderungsarten zu öffnen. Der Erfolg bestätigte die Richtigkeit dieses Beschlusses. Das Berufsförderungswerk (BFW) wuchs kontinuierlich. Im Jahre 1972 wurde die erste große Erweiterungsmaßnahme abgeschlossen, das BFW hatte 450 Plätze und ein Hochhaus als Internatsgebäude. Die Entwicklung der Elektronik und in deren Folge die der Computer revolutionierten, beginnend in den 1970er Jahren, die Arbeitswelt, ob im Büro oder Werkstatt. Bestehende Berufe bekamen neue Inhalte, es veränderten sich die Arbeitsplätze und neue Berufe entstanden. Waren Zeichenbrett und Rechenschieber einmal wichtige Werkzeuge bei der Ausbildung von Technischen Zeichnern, arbeiten sie heute als Technische Produktdesigner an modernen Computerarbeitsplätzen mit hochkomplexen Softwarepaketen. Aus körperlich schwer arbeitenden Metallfacharbeitern, z. B. Drehern, wurden Bediener von computergesteuerten Werkzeugmaschinen. Völlig neu entstanden die Berufsbilder der Industrie-Elektroniker oder des IT-System-Kaufmanns. Das erforderte nicht nur die Anschaffung teurer Geräte und Maschinen, sondern auch die stetige bauliche Anpassung der Räume. Auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung hatte das BFW im Jahre 2003 durchschnittlich 738 Teilnehmer.

Ein schwerer Einschnitt bedeutete die Veränderungen in der Sozialpolitik nach der Jahrtausendwende. Kurze, auch ambulante Maßnahmen vor Ort wurden einer stationären Umschulung vorgezogen. Der starke Belegungsrückgang führte zu der Schließung des Zentrums II in der Hugo-Römpler-Straße im Jahr 2007. Eine weitere sichtbare Veränderung war der Rückbau des Hochhauses. Das BFW musste neue Wege beschreiten, wollte es seine Existenz wahren. 2005 wurde als Schwesterunternehmen die pro.Di GmbH gegründet. Es wurden sechs Geschäftsstellen im Land eröffnet, die Qualifizierungsmaßnahmen auch für Menschen ohne Behinderung anbieten. Wieder war ein inhaltlicher Wandel angesagt. Bestehende Berufsbilder wurden angepasst, neue Berufsbilder entstanden.

Die rasante Zunahme der psychischen Erkrankungen in unserer Gesellschaft führte zur Zunahme von Menschen mit psychischen Behinderungen in der beruflichen Rehabilitation. Das erfordert neben der fundierten beruflichen Qualifizierung verstärkte begleitende Hilfen im BFW durch Arzt, Psychologe, Sozialarbeiter, Physio- und Sporttherapeut, Integrationscoach und Ernährungsberater. Dieses ganzheitliche Konzept ist die Stärke des Berufsförderungswerkes.

Was über die Jahre gültig geblieben ist, ist die volkswirtschaftliche Rentabilität der beruflichen Rehabilitation. „Wenn ein 35 jähriger Umschüler nach zwei Jahren Ausbildung wieder in Arbeit kommt, keine Sozialleistungen mehr bezieht und noch 25 oder 30 Jahre in die Sozialversicherung einzahlt, dann bringt er ein vielfaches der Kosten zurück in die staatlichen Kassen“, so die Bilanz von Klaus Krebs. Dabei sei der menschliche Aspekt, wieder für sich selbst und seine Familie sorgen zu können, nicht einmal berücksichtigt.


Festakt

Fünfzig Jahre Berufsförderungswerk Schömberg, ein Grund zu feiern, im Juli mit einem Tag der offenen Tür mit der Bevölkerung und jetzt am 24. Oktober bei einem Festakt mit Vertretern von Landes- und Kommunalpolitik, Wirtschaft und Kostenträgern. Zuvor unterzeichneten Landessozialministerin Katrin Altpeter, Hubert Seiter, 1. Direktor Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, Andrea Nordmann, Leiterin Zentrum Beruf und Gesundheit Bad Krozingen und Klaus Krebs, Geschäftsführer Berufsförderungswerk Schömberg (BFW) eine Rahmenvereinbarung zur Bildung eines MBOR-Netzwerkes für „Medizinisch-Beruflich Orientierte Rehabilitation“ (siehe unten).

„Das Berufsförderungswerk Schömberg hat in 50 Jahren rund 18.000 Menschen geholfen eine neue berufliche Perspektive zu erarbeiten“, sagte Roland Klinger, Vorsitzender des Stiftungs- und Aufsichtsrates des BFW bei der Begrüßung. Dabei sei die Nachhaltigkeit der Maßnahmen entscheidend. Achtzig Prozent der Teilnehmer seien dauerhaft in den Arbeitsprozess eingegliedert. Er schilderte welche Herausforderungen das BFW in all den Jahren zu meistern hatte (die PZ hat berichtet). Durch die Entscheidung mit den Angeboten vor Ort zu gehen, ist ein zweites Berufsförderungswerk in Stuttgart entstanden und es gibt sechs Geschäftsstellen in Baden-Württemberg. „Damit erreichen wir rund 1000 Menschen in ganz Baden-Württemberg“, so sein Resümee. Mit der Gründung der Stiftung BFW Schömberg habe man eine neue Unternehmensstruktur geschaffen. Klinger formulierte auch Forderungen an die Politik. Um den kommenden Anforderungen gerecht werden zu können, sei eine Erhöhung des Reha-Budgets unerlässlich. „Es gilt: Rehabilitation rechnet sich“, betonte er. Klaus Krebs veranschaulichte mit Bildern aus den vergangenen 50 Jahren, wie sich das BFW äußerlich und inhaltlich entwickelt hat.

„Sie erleben jetzt einen Festakt ohne Grußworte, aber Interviews mit Praktikern, die Ihnen vermitteln werden, um was es geht“, kündigte Jo Frühwirt an, der den Festakt moderierte. Mit seinen Einlagen sorgte der Kabarettist Frank Sauer für eine lockere Stimmung.

„Ich schätze die umfassende Begleitung der Menschen durch das BFW bei ihrem Weg zurück in die Arbeitswelt“, lobte Katrin Altpeter und ergänzte: „Sie haben die richtigen Mittel gefunden, um auf Erfahrungen aufzubauen und neue Wege zu gehen.“ Sie wünschte dem BFW für die nächsten 50 Jahre gleiche Erfolge, wie in den zurückliegenden Jahren. Eindrucksvoll schilderte der ehemalige Umschüler Matthias Jörg seine Umschulung zum Güteprüfer und seine erfolgreiche berufliche Laufbahn danach. Welchen Stellenwert die Arbeit des BFW bei den Betrieben in der Region hat, erläuterten die Personalmanagerin Stefanie Frick von der Hittech Prontor GmbH und Geschäftsführer Jens Mühleisen von der IHK Nordschwarzwald, der im Gespräch mit Hubert Seiter auf die gemeinsamen Interessen von Wirtschaft und Rentenversicherung einging.

MBOR-Netzwerk

Das MBOR-Netzwerk Baden-Württemberg besteht aktuell aus elf engagierten Fachzentren, sieben medizinisch-beruflichen Reha-Einrichtungen, drei Berufsförderungswerken und einem Berufsbildungswerk. Die Fachzentren haben sich seit Jahrzehnten auf berufsfördernde Diagnose- und Trainingsangebote spezialisiert. Nun stellen sie ihr hochqualifiziertes Personal und ihr Equipment auch den Reha-Kliniken – und damit den betroffenen Patienten – in ganz Baden-Württemberg zur Verfügung. Die Netzwerkpartner werden sich dafür einsetzen, dass die Arbeitsplätze von erkrankten Menschen bestmöglich erhalten werden, neue berufliche Perspektiven frühzeitig in die Wege geleitet und zusätzliche berufliche Belastungen während des Heilungsprozesses verhindert werden. Das Projekt wird vom Sozialministerium Baden-Württemberg und der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg unterstützt.


Freuen sich über die unterzeichnete MBOR-Rahmenvereinbarung (von links): Andrea Nordmann, Katrin Altpeter, Hubert Seiter und Klaus Krebs.